Noch nicht ganze Großstadthuldigung
Großstadt. Bei Nacht.
Alles singt, schwingt, klingt,
aus jedem Dachziegel,
jedem Giebel lachen verwaschene Stimmen,
über lodernde Gassen wie Strassstein verstreut,
ein verheißungsvoll schimmerndes Abendkleid
aus Menschen mit Zeit und Gelassenheit.
Großstadt. Bei Nacht.
Die schrill-wilde Tagesrobe weicht
mitternacht-zartseidner Abendgarderobe.
Und neondurchleuchtet pulsierend
Streichen dir fluoreszierend wie ein
wildes sanftes Tier alle Viere der Stadt
übers nackte Gesicht
Wie ein Fisch schwimmst du im Schwarm,
eng umgarnt, stetig Menschen
Umdrängt von Körpern, von Wörtern
dicht an dicht
Im 24/7 Shop wechselt die NachtSchicht ein,
der Wachdienst kneift die Augen klein, denn
dienstlich muss man schließlich sachlich bleibn‘
Du machst die Lider weit und lachst
allein im Laternenschein
Ein beindurchtriebenes Mekka, tausendfach
überdacht, mit grafittobeschriebener Hochhaushaut
Am Tag, kreischst du,
beißt du,
greifst du nach deinem urbanen Gefolge,
das auf dir vibrierende Tempel baut.
Und wo am Tag jegliche Farbe in deinen Gassen ergraut,
wirkst du in der Nacht wie
Aufgetaut. Entschuppt entpuppt sich
eine zweite Metropolenhaut.
Dick tatowiert, Netzstrumpf-maskiert,
grotesk verziert ja so stolziert sie und flaniert,
die Nägel frisch lackiert, ein Auge vernebelt
unterhaltungsgeknebelt, das andre kajalverschmiert,
frustriert, entseelt
Und es entrollt sich ein Bankett,
aus Diesel, Dior, und Fritösenfett
Plattgelauf-und geschlurften Touristensohlen,
aus verkohlten Maronen, aus Schinkenbaguette,
aus geschminkten Grimassen, und Schokoladencrepes
Die Stadt wartet dir auf und singt dir Chanssons,
und du musst mit ihr tanzen sonst verlierst die Balance.
Denn, folgst du dich nicht willig ihrer Philosophie,
unterwirfst du dich nicht dieser Zwangs-Harmonie,
diesem Rausch aus ihrem Abgas-und deinem Sauerstoffaustausch
Duckst du dich, dann schluckt sie dich, bricht dir die Beine,
nimmt dich kurz an die Leine, verwäscht dein Gesicht,
verknotet dir deine Zunge, damit du nicht schlecht über sie sprichst
Großstadt.
Deine Schaufensterscheiben vervielfachen
wiederspiegelnd meine Winzigkeit,
wenn ich durch deine kapitalschwere Adern
in Ellenbogengeschwadern täglich durch rastloses Treiben gleite
In deine grünen Lungenflügel zum Luftholen flüchten,
wenn von Norden bis Süden die ungezügelten Horden verdichten
Um dann wieder entlang des Gesangs deiner Sirenen zu irren,
sich in der Kluft deiner Hochbehäuserten Bucht zu verwirren
Ja, denn ich war, und ich bin, doch und immer noch
Suchende,
bin hier zu dir gekommen, um meine bleibende Stadt zu finden,
Und was ich nun fand? – Fragst du mich
Was es mir gibt, dein mauerngewebtes Gewand?
Bisher noch nicht viel
mehr als den kleinen Finger deiner unsichtbaren Hand
Mit der Hoffnung
auf den Tag mit meinen in deinen Händen,
an dem du meinen Namen nennst, im menschendichten Augenmeer
die meinen erkennst, zu mir blinzelst, meinen Namen nennst,
damit ich schlafen kann im Wissen dass mich jemand an
– und erkennt, um
mit dir eins zu werden,
Kongruent,
Mit dir. Großstadt
Einmal.
Transzendent
… geschrieben im Oktober 2022, Madrid